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Autor: Kora Blanken

Folge 2: Fußballdeutsch

4,42 Milliarden Euro – so hoch ist der Gesamterlös der Deutschen Bundesliga und 2. Bundesliga im vergangenen Jahr gewesen. Selbst wenn Sie kein eingefleischter Fußballfan sind, werden Sie eingestehen müssen: Irgendetwas scheint dran zu sein an dem Zitat des Ex-Fußballers Arrigio Sacchi.

Fußball ist das wichtigste aller unwichtigsten Dinge im Leben.

Arrigo Sacchi

Egal ob Sie einen Fanschal in Ihrem Büro hängen haben oder genervt mit den Augen rollen, wenn die Kollegen über Transfermärkte, Trainerwechsel und taktische Fouls diskutieren – Fußballdeutsch ist eine Sprache, die man unbedingt beherrschen sollte. Wir zeigen Ihnen wie’s geht.

Das Fußballdeutsch der Profis

Fußballdeutsch gehört zu den pseudointelligenten Sprachen. Hierzu gehören Sprachen, bei denen der Sprecher versucht, intelligente Sprachelemente zu benutzen … und kläglich daran scheitert. Hier zeigt sich die Komplexität des Fußballdeutschen, denn das Phänomen der Pseudointelligenz ist annähernd auf allen sprachlichen Ebenen zu finden.

Ebene der Wortbedeutung

Auf der Wortbedeutungsebene nutzt der Sprecher zwar ein intelligentes Wort … aber falsch:

Der Jürgen und ich, wir sind ein gutes Trio.

Fritz Walter jun.

Wir müssen gewinnen. Alles andere ist primär.

Hans Krankl

Da gehe ich mit Ihnen ganz chloroform.

Helmut Schön

Ebene der Floskeln/Redewendungen

Hier wird eine Redewendung manipuliert. In manchen Fällen wird lediglich ein falsches Wort benutzt, in anderen Fällen lassen sich aber komplexere Gebilde ausmachen, zum Beispiel falsche Wortreihenfolgen oder die Verschmelzung mehrerer Redewendungen zu einer:

Wir dürfen jetzt nicht den Sand in den Kopf stecken.

Lothar Matthäus

Das ist Schnee von morgen.

Jens Jeremies

Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit.

Rudi Völler

Inhaltliche Ebene

Auf der inhaltlichen Ebene lassen sich besonders häufig Tautologien ausmachen. Darunter fallen Zitate, in denen mit verschiedenen Elementen dieselbe Aussage getroffen wird.

Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.

Jürgen Wegmann

Mal verliert man und mal gewinnen die anderen.

Otto Rehagel

Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl.

Andreas Möller

Auch inhaltliche Folgefehler sind ein häufiges Sprachphänomen im Fußballdeutschen. Oftmals tritt dieses Phänomen zusammen mit der Verwendung von Zahlen auf.

Zwei Chancen, ein Tor. Das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung.

Roland Wohlfarth

Ich sage nur ein Wort: Vielen Dank.

Horst Hrubesch

Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Niederlage oder Unentschieden.

Franz Beckenbauer

Generell tauchen inhaltliche und Logikfehler recht oft auf:

Ich habe in einem Jahr 16 Monate durchgespielt.

Franz Beckenbauer

Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien.

Andreas Möller

Shanghai hat 22 Millionen Einwohner. So viele gibt es ja fast in ganz Europa nicht.

Bastian Schweinsteiger

Diese sprachlichen Phänomene bleiben allerdings in den meisten Fällen den absoluten Fußballdeutsch-Profis überlassen, die in der Regel selbst auf dem Platz stehen. Vermutlich gehören zur Bildung des Fußballdeutsch in Reinform wichtige Umgebungsfaktoren wie die Ermüdung nach einem Spiel.

Trotzdem gibt es auch für Nicht-Profis die Möglichkeit sich das Vokabular des Fußballdeutschen anzueignen. Hier lohnt sich besonders der Blick auf die Fansprache. Von Verein zu Verein gibt es hier gewisse Abwandlungen. Allerdings gibt es auch eine Art Standard-Fan-Sprache, die über den eigenen Vereinsdialekt hinaus verstanden wird. Mit den folgenden Lektionen können Sie sich sicherlich schon bald recht gut verständigen.

Das Fußballdeutsch der Fans

Das Fußballdeutsch der Fans ist abhängig von den Umgebungsfaktoren. Wortwahl, Lautstärke und vor allem Mimik und Gestik müssen unterteilt werden in:

  • Fußballdeutsch vor dem heimischen Bildschirm
  • Fußballdeutsch im Büro
  • Fußballdeutsch im Stadion
Vor dem eigenen Fernseher lässt sich Fußballdeutsch wunderbar trainieren.

Fußballdeutsch vor dem heimischen Bildschirm

Die Sprache ist bis auf wenige Momente eher non-verbal. In den meisten Fällen sind nur einzelne Wörter oder Wortfetzen zu hören:

  • Neiiin …
  • Jaaa!
  • Waaas?!
  • Kannst du bitte später saugen???!!

Kleine Lektion: Lernen Sie wichtige Fußballvokabeln richtig einzusetzen:

Schauen Sie sich ein Fußballspiel im Fernsehen an. Nutzen Sie die Vokabeln „Nein“ und „Ja“ abwechselnd – besonders immer dann, wenn ein Tor fällt. Die Vokabel „Was?!“ eignet sich besonders dann, wenn gefoult wird oder der Schiedsrichter eingreift.

Zusatzübung: Unterstreichen Sie die Wörter mit typischer Gestik:

  • Ja! Beide Arme nach oben reißen und vom Sessel aufspringen.
  • Nein!! Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
  • Was?! Mit der flachen Hand auf den Fernseher zeigen. Die Handfläche zeigt dabei schräg nach oben.

Fußballdeutsch im Büro

Im Büro oder an jedem anderen Arbeitsplatz ist Fußballdeutsch ein wichtiger Softskill. Schon mit einigen Vokabeln kommen Sie recht weit. Ebenso wichtig wie das Vokabular ist hier aber vor allem das Verhalten des Sprechers.

Äußern Sie immer Ihre Meinung

Egal, was gerade besprochen wird. Handelt es sich um ein Fußballthema gilt vor allem eines: Äußern Sie Ihre Meinung. Dabei ist völlig egal, ob Sie dafür oder dagegen sind. Irgendjemand ist immer auf Ihrer Seite und irgendjemand ist ebenso immer der Meinung, dass Sie die Sache völlig verkennen. Wichtig ist lediglich, dass Sie sich immer ins Thema einmischen. Denn: Wer sich nur ab und zu äußert, den bewegt das Thema nicht genug. Folglich ist er kein richtiger Fan und wird nicht ernstgenommen.

Bleiben Sie bei Ihrer Meinung

Machen Sie in Diskussionen keine Kompromisse und knicken Sie bloß nicht ein. Das macht Sie unglaubwürdig. Haben Sie sich einmal dazu entschieden, einen Trainer für völlig inkompetent zu halten, bleiben Sie dabei – zumindest bis zum nächsten Spieltag. Nach dieser Halbwertszeit des kollektiven Fußballgedächtnisses haben Sie als Fußballkenner die Möglichkeit, das genaue Gegenteil zu behaupten, ohne Ihr Gesicht zu verlieren. Schließlich kann sich an einem Spieltag die ganze Fußballwelt drehen.

Seien Sie emotional

Legen Sie stets Emotionen in Ihre Mimik, Gestik und Stimme. Beim Fußball gibt es keine Sachlichkeit. Ein Beispiel: Ein Verein hat nicht einfach nur verloren. Er hat verloren,

  • weil der Trainer „ein Vollidiot“ ist,
  • weil der Stürmer „nichts kann“ oder
  • weil der Schiri „geschmiert“ war.

Fußballdeutsch im Stadion

Fußballdeutsch im Stadion ist eine der rudimentärsten Sprachen unserer Zeit und besteht in vielen Fällen lediglich aus Lauten. Wichtig ist, dass sie stets von allen Fans gleichzeitig eingesetzt werden. Damit Sie mit den anderen Fans immer im Kollektiv agieren, sollten Sie in bestimmten Situationen folgendermaßen reagieren:

Beim Anstoß

Hat die eigene Mannschaft Anstoß, feuern Sie sie kräftig an. Sie ist schließlich die beste und hat einen Sieg verdient. Sollte der Gegener Anstoß haben, buhen und pfeifen Sie ihn kräftig aus. Besonders bei Heimspielen ist es wichtig, dem Gegner klarzumachen, dass er nur ins Stadion gelassen wurde, weil der DFB das so wollte. Und da kann man nun mal nichts gegen machen …

Beim Foul

Fällt ein Spieler der eigenen Mannschaft auf den Rasen, ist er immer grob gefoult worden. Um den Schiedsrichter nachdrücklich auf dieses schwere Vergehen des Gegners hinzuweisen, muss das Fankollektiv laut „Eyyy!“ rufen. Ebenso wichtig: Immer wenn ein Spieler der anderen Mannschaft fällt, muss die Fangemeinschaft ihn deutlich auspfeifen. Schließlich ist das in aller Regel eine Schwalbe. Die Memme soll endlich aufstehen und weiterspielen!

Abgrenzung während des Spiels

Auch die eigene Mannschaft macht mal Fehler. Wichtig ist, dass Sie sich klar machen: Sie als Fan können wirklich nichts dafür. Würden Sie auf dem Platz stehen, würden Sie es natürlich viel besser machen. Auch wenn Sie Ihre Mannschaft lieben, jetzt gilt es, sich abzugrenzen. Schimpfen Sie deshalb bei jedem Fehlpass und jedem missglückten Torschuss und legen Sie dabei auch etwas Wut und Fassungslosigkeit in Ihre Stimme. Dabei helfen Ihnen folgende Sätze:

  • Warum gibt der denn nicht ab?!
  • Was macht der denn da?!
  • Den muss er machen!!

Fazit

Fußballdeutsch ist eine komplexe Sprache und stark von den Umgebungsfaktoren abhängig. Sie brauchen daher viel Übung. Unser Tipp: Springen Sie nach den ersten Versuchen im heimischen Wohnzimmer direkt ins kalte Wasser. Sie werden sehen: Im Stadion sind eine Menge Menschen, die Sie gerne unterstützen.

Und falls Sie noch mehr Sprachen lernen möchten, die man unbedingt beherrschen sollte, empfehlen wir Ihnen unseren Extrastoff zum Thema Imbissbuden-Deutsch.